Harald Stockert: Napoleons Zweitfamilie in Mannheim

Baden-Wappen auf einem Bild des Schwarzwalds

Harald Stockert: Napoleons Zweitfamilie in Mannheim,

Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher, 2023, 132 Seiten

ISBN 978-3-95505-412-0, € 19,90.

 

Mit „Napoleons Zweitfamilie in Mannheim“ legt das Mannheimer Marchivum in der Schriftenreihe Marchivum 11 ein sehr lesenswertes und reich illustriertes Werk -in einem anschaulichen Stil geschrieben- vor, das nicht Napoleon und seine Politik, sondern das Private der Napoleoniden herausstellt, was für die damalige internationale Presse von großem Interesse war. Das Buch gliedert sich mit Vorwort und Anhang in 16 Kapitel. Das im verlag regionalkultur vom Leiter des Marchivums, Dr. Harald Stockert, vorgelegte Buch beschreibt die Ankunft eines Reisenden nach Mannheim, von wo er direkt zu einem Schlösschen nach Seckenheim, heute Mannheim-Seckenheim, weiterfährt. Es handelt sich um den illegitimen Sohn Napoleons, Leon, der seine Mutter Gräfin Eleonore von Luxburg, die ehemalige Geliebte Napoleons, besucht.

 

Neben diesen beiden Personen wird in dem Buch die Stieftochter Napoleons, Stephanie de Beauharnais, und der Ehemann der Eleonore von Luxburg, Karl August von Luxburg, herausgestellt. Stephanie de Beauharnais war die Ehefrau des Erbprinzen Karl von Baden. Diese vier Personen wohnten in Mannheim/Seckenheim bzw. lebten einige Zeit hier. Die Eheleute von Luxburg wohnten im Schloss Seckenheim, später auch in der Innenstadt Mannheims, Stephanie Beauharnais lebte nach dem Tod ihres Mannes im kurfürstlichen Schloss und Leon besuchte öfter seine Mutter in Seckenheim.

 

Die beiden Frauen, Eleonore und Stephanie, hatten beide 1806 ein herausragendes Erlebnis. Stephanie heiratete am 8.April 1806 den Erbprinzen von Baden, um Baden enger an Frankreich zu binden, Eleonore lernte im Januar 1806 den Kaiser von Frankreich kennen. Aus der Beziehung zu Napoleon entwickelte sich eine Liebesaffäre, und am 13. Dezember 1806 brachte Eleonore ihren Sohn Leon zur Welt, der Napoleon wie aus dem Gesicht geschnitten aussah. Eleonore und Stephanie kannten sich vom Internat der Henriette Campan, der früheren Kammerzofe Marie-Antoinettes, der Ehefrau Ludwig XVI. Beide Frauen waren befreundet. Nach der Affäre Eleonores mit Napoleon war die Beziehung Stephanies und die der Familien Bonapartes und Beauharnais zu Eleonore zerbrochen. Auch Napoleon sah Eleonore nie wieder. Er unterstützte sie aber über Mittelsmänner. Die erste Ehe Eleonores war gleich zu Anfang zerbrochen und die zweite Ehe „mit einem Militär aus dem Departement Charentes“ endete im Russlandfeldzug Napoleons. Der Ehemann blieb verschollen.

 

Sohn Leon wurde Eleonore kurz nach der Geburt auf Veranlassung Napoleons wegen Überforderung weggenommen und einer Tagesmutter übergeben. Eleonore sah ihren Sohn 15 Jahre nicht. Er wurde von einem Subtutor und einem Hauslehrer betreut, und im Hintergrund sorgte sein Vater Napoleon finanziell für ihn. Leon war schon im Jugendalter verschwenderisch, immer auffällig gekleidet und hatte im späteren Leben viele Affären. Er war vor Gericht und sogar im Gefängnis. Einen Aufstieg beim Militär schaffte er nicht, weil es mit seinen Vorgesetzten immer zu Konflikten kam, und so war auch eine politische Karriere nicht möglich.  Aber er zehrte vom Ansehen seines berühmten Vaters.

 

Graf Karl August von Luxburg war seit 1821 Intendant des Nationaltheaters von Mannheim. Er war nicht die Idealbesetzung für dieses Amt gewesen, doch er war mit den Aufführungen von Opern im Nationaltheater erfolgreich. Karl   August   heiratete am 23. Mai 1814 in Seckenheim Eleonore, wo seine Eltern wohnten. Durch die Heirat mit Karl August war Eleonore in den Adelsstand aufgestiegen. 1814 und 1815 lebten die von Luxburgs meist noch in Paris, ehe sie sich in Seckenheim niederließen, als sie das Seckenheimer Schlösschen erworben hatten. Hier trafen sich die Verwandtschaft der Luxburgs und Freunde und Bekannte von Eleonore und Karl August, und hier empfing Eleonore damals ihren Sohn, wie oben geschildert. Das schlechte Image Eleonores in Mannheim als Geliebte Napoleons wurde aufgebessert, als sie die Gattin des Intendanten des Nationaltheaters wurde und als das Ehepaar Luxburg manchmal als Gast der Großherzoginwitwe in das Mannheimer Schloss eingeladen wurde, obwohl es zwischen Eleonore und Stephanie nach der Affäre mit Napoleon zu einem Bruch ihrer Beziehungen gekommen war. Die Einladung des Ehepaar Luxburgs ins Mannheimer Schloss geschah aber wegen der Position Karl Augusts als Intendant des Nationaltheaters.

 

Im Bewusstsein der heutigen Mannheimer sind Eleonore, Karl August und der Sohn Eleonores bis zum Erscheinen dieses Buches wohl nicht vorhanden gewesen. Die Großherzoginwitwe Stephanie war als sogenannte „Landesmutter“ in Mannheim stets präsent. An sie erinnert heute noch eine Statue am nach ihr benannten Stephanienufer.                                                                                       Konrad Exner